Die Kirche zu Rückershausen

In Gegenwart König Ludwigs des Deutschen gründete Graf Gebhard von Niederlahngau im Jahr 845 ein Priesterkongregariat im benachbarten Kettenbach. Als dieses „Kloster“ im Jahr 879 nach Gemünden im Westerwald verlegt wurde, wurde erstmals auch Rückershausen urkundlich erwähnt. Es wurde schon damals kirchlich von Kettenbach aus mitversehen.

Zwischen 1311 und 1326 wurde die Rückershäuser Kirche als eine gotische Kapelle von den Grafen von Katzenelnbogen erbaut und dem heiligen Aegidius geweiht. Aegidius ist der Patron der Hirten und so wundert es nicht, dass von der Kirche nicht die Kirch- oder Kapellstraße, sondern die Hirtengasse weiterführt. Aus der Gründerzeit stammt noch der frühgotische Kruzifixus am Altar.

1437 wurde festgelegt, dass in der Rückershäuser Kapelle jeden Sonntag eine, in der Woche zwei Messen zu lesen seien und an Fronleichnam eine Prozession von Kettenbach zur Kapelle ziehen sollte.

Im Jahr 1530 wurden Kettenbach und Rückershausen ohne weitere Zwischenfälle, wie es die Chronik vermeldet, lutherisch. Den katholischen Kaiser Karl V. hinderte dies nicht daran, den Rückershäusern im Jahr 1532 auf Ansuchen des Landgrafen Johann von Nassau-Idstein das Marktrecht zu verleihen. Der jährliche Rückershäuser Markt, zu dessen Traditionen seit einigen Jahren auch eine gereimte Marktpredigt am Sonntag vor dem Markttag gehört, hält an diesem alten Recht fest.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts war die Kirche zu klein geworden. Die Umgestaltung der Kirche und des Turmes wurde 1755 ausgeführt. Im Kern hat die Kirche zu Rückershausen ein gotisches Schiff, mit dreiseitigem Chorschluss und achteckigem Spitzenhelmdachreiter, an der Südseite vier Spitzbogenfenster. Um mehr Raum zu schaffen, ließ Pfarrer Otto eine Empore einbauen, die wahrscheinlich zuvor in einer anderen Kirche stand. Aus dieser Zeit stammt auch die Holzdecke, die Kanzel mit dem Pelikan, der seine Jungen mit seinem eigenen Blute nährt, und die aus der Orgelbauwerkstätte Köhler stammende, sehr schön klingende Orgel. Ein Wappenschild auf der Orgel zeigt die Wappen der unterschiedlichen Grundherrschaften, die Anteil an Rückershausen hatten. Aus der Barockzeit stammt auch die Taufschale, die auf ihrem Grund die Madonna mit der Mondsichel zeigt. In dieser Schale werden also seit über zweihundert Jahren die Rückershäuser getauft.

Zur Inneneinrichtung kam nach dem französischen Krieg 1870/71 noch eine gusseiserne Gedenktafel der Gefallenen, die ein künstlerisch wertvolles Zeugnis ihrer Zeit und unserer Gegend bietet.

1929 erhielt die Kirche elektrisches Licht, die Neuzeit hielt ihren Einzug.

Doch die Wirren des Krieges ließen auch Rückershausen nicht verschont. Alle Glocken mussten abgegeben werden. Neue Glocken gab es erst 1956. Davon berichtet die Chronik: Der Sägewerkbesitzer Adolf Cloos schenkte diese drei Glocken, ein fürstliches Geschenk. Sie wiegen 324 kg, 191 kg und 134 kg. Die Töne sind h´d´´ e´´. Die Inschriften Seid fröhlich in Hoffnung – geduldig in Trübsal – haltet an am Gebet“.

Gleichzeitig wurde ein elektrisches Läutewerk angeschafft, dessen Kosten durch einen Beitrag der Zivilgemeinde und eine Haussammlung in der Gemeinde aufgebracht wurden.

1959 fand man den Schwamm in der Emporendecke über der Sakristei. Um den Schwamm wirksam zu bekämpfen, ließ der Kirchenvorstand rings um die Kirche einen 60 cm tiefen Graben ziehen, sodass die Grundmauer der Kirche tief freigelegt wurde. Die Grundmauer wurde verputzt und gestrichen. Neue Dachrinnen fingen die Dachfeuchtigkeit auf. Der Fußboden unter der Orgel und der Sakristei wurden betoniert.

Im gleichen Jahr wurden Turm und Mitteldach der Kirche neu mit Schiefer gedeckt. 1962 erfolgte die Eindeckung des Chordaches.

Ab 1968 plante man eine gründliche Renovierung der Kirche, die 1971/72 durchgeführt wurde. Es wurden neue Bänke mit Elektrobankheizung eingebaut, neue Lampen wurden angeschafft, die Fenster unten und oben wurden völlig erneuert. Empore und Decke wurden in der alten Weise wieder hergestellt. Der Bildhauer Steinlein aus Eltville ergänzte am frühgotischen Kruzifixus die abgebrochenen Arme.

Im Jahr 2001 musste die Kirche nach einem Schwelbrand ungeklärter Ursache und der dadurch starken Verrußung ausgereinigt werden. Nun stellte sich heraus, dass sich die Verzapfung vom Dachstuhl zu lösen begannen. Gründliche Voruntersuchungen zeigten weitere Schäden.

Als Rückershausen 1971 ein Gemeindeteil der Großgemeinde Aarbergen wurde, behielt die Kirchengemeinde ihre Eigenständigkeit. Wenn sie auch, wie von Anfang an, pfarramtlich mit Kettenbach verbunden ist, hat sie doch ihren eigenen Kirchenvorstand, ihren eigenen Sonntagsgottesdienst und ihre eigene Kirche, in der seit Jahrhunderten die Rückershäuser getauft, konfirmiert und getraut werden, in der sie sich zum Gottesdienst versammeln und in der sie von ihren Toten Abschied nehmen.

In dem kleinen Kirchlein, das weit ins Aartal hinaus sichtbar ist und besonders in der Weihnachtszeit, wenn es am Abend angestrahlt wird, dem Wanderer und Autofahrer einen ersten Gruß des Dorfes schickt, schlägt seit Jahrhunderten das Herz von Rückershausen. Im Heimatsegen, der jedes Jahr an Lichtmeß (2. Februar) gesprochen wird, heißt es:

Hier grüßt uns die Sonne am Morgen,
hier leuchtet des Abendrots Licht,
hier teilen wir Freuden und Sorgen,
vergessen einander hier nicht.
Hier reichten wir einst uns die Hände,
hier nahm unser Leben den Lauf,
und gehn unsre Jahre zu Ende,
dann nimmt diese Erde uns auf.
Hier wolle Gott uns geleiten,
uns führen mit gütiger Hand,
barmherzigen Segen bereiten
der Heimat, Aarbergener Land.